Genau 2 ist sie jetzt, meine kleine Tochter. Geboren und aufgewachsen in Marokko. Marokko, das ist für mich die Atlantikküste um Agadir, das Zentrum Marokkos im Süden. Schräg gegenüber die Kanaren, 2,5 Autostunden östlich liegt Marrakesh, weiter im Süden die Sahara.
Was hat mich hierher verschlagen und wie ist es, Mama zu sein in Marokko??
Gekommen bin ich aus meinem Drang nach Freiheit, um Yoga zu unterrichten in einem kleinen Yoga-Hotel. Geblieben bin ich der Liebe wegen. Gleich am ersten Tag lief mir mein jetziger Mann über den Weg, ganz romantisch am Strand. Und unsere kleine Tochter habe ich ja schon erwähnt… 😉
Wie ist es denn jetzt, Mama zu sein hier am Meer, was sind die Unterschiede zu Deutschland?
Also, zunächst fällt mir mehr und mehr auf, wie sich das Leben marokkanischer Familien größtenteils zu hause abspielt. Während es bei uns heißt, ein Baby soll so früh wie möglich raus an die frische Luft, täglich draußen spazieren gehen, auch bei Wind und Wetter, ist hier ganz das Gegenteil angesagt. Die kleinen Kinder sind fast nur zu hause, auch bei herrlichem Wetter und strahlendem Sonnenschein. Spazierengehen, einfach nur um spazieren zu gehen, das machen die Marokkaner selten und mit Babys so gut wie gar nicht. Mir wird auch oft gesagt, es sei zu heiß oder zu kalt oder zu windig, um spazieren zu gehen.
Apropos zu heiß oder zu kalt, wenn man mal Babys oder 1-2jährige draußen sieht, dann sind die meist super warm eingepackt. Und zwar richtig eingepackt in eine dicke Decke, vom Umfang her ist das „Paket Baby“ dann doppelt so groß als das Baby alleine. Grade jetzt im Winter sind ohnehin alle warm angezogen, nicht nur die kleinen Kinder. Zum Vergleich, während die westlichen Kinder in Badesachen am Strand spielen, sind die marokkanischen Kinder mit Daunenjacke, Mütze und gefütterten Schuhen unterwegs. Und wir haben tagsüber oft 25 Grad oder mehr. Aber Winter ist Winter.
Zurück zum Spaziergang, wenn ich Frauen mit kleinen Kindern draußen sehe, dann werden die Kinder meistens getragen. Entweder einfach im Arm bei kurzen Strecken, meistens aber im Tuch auf dem Rücken. Das ist dann kein spezielles Tragetuch wie bei uns, sondern eben einfach ein Tuch oder eine Decke. Sehr kleine Kinder werden vorne getragen und oft mit einem speziell gemusterten Tuch bedeckt, das vor dem bösen Blick schützen soll. Kinderwägen sieht man hier so gut wie nie. Erst für Kleinkinder, die werden oft im Buggy geschoben. Aber da die Marokkanerinnen ja nur selten raus gehen mit den Babys, brauchen sie natürlich auch keinen Kinderwagen.
Was ich hier im ersten Babyjahr sehr vermisst habe, sind Kurse für Mama und Baby. Das mag in den größeren Städten wie Marrakesh oder Casablanca nochmal anders sein, aber hier bei uns in Agadir gibt es gar kein Angebot. Keine Rückbildung, keine Babymassage, kein Babyturnen oder Mama-Yoga, gar nichts. Zum Glück habe ich nach einer Weile andere europäische Mamas getroffen und wir haben uns dann unsere eigenen Krabbelgruppen organisiert. Das hat sooo gut getan, sich einfach mal austauschen mit anderen Müttern.
Marokkaner sind in der Regel sehr kinderlieb und haben auch kaum Berührungsängste. Überall geht jemand auf meine Tochter ein, hebt sie hoch oder schenkt ihr einen Keks. Viele Leute kaufen extra was für sie in den kleinen Läden hier. Waffeln oder Joghurt für 10 oder 20 Cent umgerechnet. Manchmal ist das zu viel, es ist ja auch überall Zucker drin, aber der Unterschied zu Deutschland, wo mein Kind kaum beachtet wird, ist gigantisch! Und um den Unterschied geht es ja hier.
Es ist auch immer jemand da, der mir hilft. Den Buggy irgendwo rauf- oder runterzuheben, kurz mal auf mein Kind aufzupassen, wenn ich an der Kasse bezahle, oder es beschäftig sich jemand mit ihr, damit ich in Ruhe was essen kann im Cafè. Wenn wir in einem Restaurant oder Café waren und mein Kind hinterlässt altersbedingt ein kleines Chaos aus Essensresten und zerpflückten Servietten, es fällt nie ein böses Wort. Kinder sind so, das wissen die Marokkaner.
Manchmal wird etwas übertrieben mit dieser Kinderfreundlichkeit. Viele Menschen küssen mein Kind inzwischen auf die Stirn oder auf die Wange, sehr viele Erwachsene, aber auch andere Kinder in ganz unterschiedlichen Altersklassen. Für junge Frauen bringt es wohl Glück, ein Baby zu küssen, das verspricht viele eigene Kinder. Oft gefällt es meiner Tochter und sie küsst auch gerne mal zurück, manchmal muss ich eingreifen und sie vor zuviel Küsserei beschützen.
Ich könnte noch ganz viel schreiben, über den unterschiedlichen Umgang mit Medien für Kinder, über den schon erwähnten Zuckerkonsum, über die Rollen von Mann und Frau… Und auch über die vielen tollen Seiten hier. Marokkaner lieben Kinder! Es ist immer jemand da, der mir mit dem Buggy hilft. Marokkaner haben keine Scheu, ein fremdes Kind hochzuheben, wenn es Hilfe braucht. Es ist auch immer jemand da, der mit ihr interagiert, wenn wir Bus fahren oder im Café sitzen. Das ist mir sehr aufgefallen im Vergleich zu unseren Besuchen in Deutschland. Dort wurde mein Baby tendenziell ignoriert, hier bekommt sie Kekse geschenkt. Kinder sind Willkommen und es ist allen klar, dass Kinder eben krümeln und turnen und was verschütten. Alles kein Problem in Marokko. 🌵